Bamberger Kreuzweg
Mit dem Schuljahr 2002/2003 übernahm das Kaiser-Heinrich-Gymnasium die Patenschaft für ein weithin unbeachtetes, aber dennoch sehr bedeutendes Kunstdenkmal im Herzen der Weltkulturerbestadt Bamberg: Der 1500 gestiftete Kreuzweg des Heinrich Marschalck von Raueneck führt in sieben Stationen von der Elisabethenkirche in der Sandstraße zur Spitalkirche St. Getreu und gilt als das älteste Denkmal dieser Art in Deutschland.
Bamberger Kreuzweg: Jesus trägt das Kreuz (2. Station)
Jesus erduldet die Qualen seiner Peiniger: Station 2 des Kreuzweges in der Aufseßstraße. - Die Darstellungen der Sandsteinreliefs zeigen die Leiden Jesu auf dem Weg von seiner Verurteilung im Haus des Pilatus (Joh 18,28 - 19,16a) zum Ort seiner Kreuzigung auf dem Berg Golgotha (Joh 19,16b-30).

Dr. Karin Dengler-Schreiber  Heimatpflegerin der Stadt Bamberg und stellvertretende Vorsitzende des Bayerischen Landesdenkmalrats, beschreibt Entstehung, Aufbau und Zielsetzung des Kreuzwegs:
Der Bamberger Kreuzweg
Der älteste vollständig erhaltene Kreuzweg Deutschlands steht in Bamberg. Er ist ein besonderes Denkmal spätmittelalterlicher Frömmigkeit, die Kunstverständnis. Ideenreichtum und den Wunsch, ein persönliches Erinnerungszeichen zu setzen zu vereinen wusste.
Der Kreuzweg, der im Jahr 1503 vollendet wurde, zeichnet in sieben Stationen zwischen der Elisabethenkirche in der Sandstraße und St. Getreu den Leidensweg Christi vom Haus des Pilatus zum Kalvarienberg nach. Angeblich ist sein Stifter bei einer Wallfahrt in Jerusalem diesen Weg abgeschritten und hat die Zahl der Schritte zwischen den einzelnen Stationen aufgeschrieben und auf Bamberg übertragen. So sind es z.B. vom "Haus des Pilatus" bis zu der Stelle, an der Christus mit dem Kreuz auf der Schulter seiner Mutter Maria begegnete , etwa 200 Schritte. Und dementsprechend steht auf der ersten Tafel an der Mauer zum Michelsberger Garten in der Aufseesgasse: "Hie begegnet Cristus seiner würdigen lieben Mutter, die vor grosen hertzenleyd amechtig war. IIc schrit von Pilatus Haus."
Bamberger Kreuzweg: Jesus begegnet seiner Mutter (2. Station)
2. Station: Jesu Mutter wird ohnmächtig, als sie ihrem Sohn auf seinem Todesweg begegnet. Die Inschrift verkündet: "Hie begegnet Cristus seiner würdigen lieben Mutter, die vor grosen hertzenleyd amechtig war. IIc schrit von Pilatus Haus."

Dann folgen die Stationen:
   "Hie ward Symon gezwungen Cristo sein Kreutz helfen tragen. IIcLXXXXV schrit von Pilatus Haus"  [3. Station]
   "Hie sprach Cristus Ir Töchter von Jherusalem nit weinet uber mich sonder uber euch und eure Kinder. IIIcLXXX schrit v p Haus" [4. Station]
   "Hie hat Cristus sein heiliges angesicht der Frauen Feronicae in ir slayr getruckt vor irem Haus. Vc schrit von Pilatus Haus" [5. Station]
Bamberger Kreuzweg: Veronica reicht Jesus das Schweißtuch (5. Station)
5. Station: Veronika reicht Jesus ihr Schweißtuch, und er hinterlässt einen Abdruck seines Antlitzes auf dem Tuch: "Hie hat Cristus sein heiliges angesicht der Frauen Feronicae in ir slayr getruckt vor irem Haus."

   "Hie velt Cristus vor großer amacht unter dem Kreutz nider uff die erden bey eilf hundert schrit von pilatus Haus" [6. Station]
   Ziel und Höhepunkt des Kreuzweges ist die Kreuzigungsgruppe [7. Station], die früher frei vor der St. Getreukirche stand (heute in ihr geborgen). In der Kirche befindet sich auch die Darstellung der Grablegung Christi.
Stifter dieses Kreuzweges war Heinrich Marschalk von Rauheneck. Das Rittergeschlecht derer von Rauheneck hatte seine Stammburg in Vorbach in der Nähe von Ebern. Es starb um 1550 aus und die Burg zerfiel zur Ruine. Bis heute aber erinnert der Bamberger Kreuzweg an eines der letzten Mitglieder dieser Familie, eben jenen Heinrich, der, unverheiratet und kinderlos, einen Teil seines offenbar beträchtlichen Vermögens darauf verwendete, "gute Werke" zu tun. Enge geschäftliche und berufliche Beziehungen verbanden ihn mit dem Bamberger Benediktinerkloster Michelsberg, für das er mehrfach in juristischen Angelegenheiten und als Berater tätig war. In einem "Verzeignus der gutthäter" von St. Getreu wird er an vorderster Stelle genannt. Damit im Zusammenhang steht auch der Kreuzweg. Er führt an der Grenze der Michelsberger Immunität (Rechtsbereich des Klosters) entlang und endet in der klösterlichen Propstei St. Getreu.
Wir kennen den Namen des Bildhauers, den Heinrich Marschalk von Rauheneck beauftragt hat, nicht mehr. Wir wissen nur, dass er die sieben Stationen, die Kreuzigungsgruppe und die Grablegung zwischen 1500 und 1503 hergestellt hat. Heinrich Marschalk hat wohl auch den Nürnberger Kreuzweg, den der Bildhauer Adam Kraft schuf, gestiftet. Jedenfalls wird er in den Prozessakten eines Streits, der später wegen der zum Nürnberger Kreuzweg gehörenden Kapelle entstand, als Stifter genannt.
Bamberg und Nürnberg waren im Spätmittelalter wirtschaftlich und familiär aufs Engste verbunden. Viele der großen Nürnberger Familien stammten ursprünglich aus Bamberg und hatten in beiden Städten Wohnsitze und Niederlassungen. Die Verwandtschaft zwischen dem Bamberger und dem Nürnberger Kreuzweg ist bei fast allen Stationen deutlich zu sehen. Beim Vergleich wird auch klar, welch überragender Meister Adam Kraft war.
Allerdings ist die ursprüngliche Qualität des Bamberger Kreuzwegs kaum noch zu beurteilen, weil die Reliefs sehr oft restauriert wurden. Schon im Bauernkrieg [1525] wurden sie beschädigt. Zwischen 1602 und 1953 sind 11 weitere Reparaturen überliefert. Heinrich Marschalk war ein vorausschauender Mann. Er bezahlte nicht nur das Kunstwerk des Kreuzwegs, sondern machte 1519 auch eine Stiftung für seine Erhaltung. Das Kapital dieser Stiftung ist im Lauf der Zeit verschwunden, nicht aber die Reparaturbedürftigkeit der Sandsteinreliefs.
Jetzt ist es wieder soweit und hier setzt eine Initiative des Kaiser-Heinrich-Gymnasiums in Zusammenarbeit mit der Ibach-Denkmal-Stiftung an. Sie wollen sich zunächst mit der ersten Station, dem "Haus des Pilatus" neben der Elisabethenkirche beschäftigen. Dieses Relief mit der Aufschrift: "Hie wirt Cristus außgefurt von Pilatus Haws sein kreutz tragend" war ursprünglich an der Längswand der Kirche angebracht, denn direkt vor der Kirche verlief die alte Stadtmauer mit dem "Sandtor", das auf dem Relief auch zitiert wird. Erst nach dem Abbruch des Tores und der anschließenden Gebäude 1820 konnte die Tafel 1870 versetzt werden.
Als Heimatpflegerin der Stadt Bamberg freut es mich ganz besonders, dass sich eine Schule für den Erhalt eines gefährdeten Kunstwerks unserer Stadt einsetzt. Erst wenn man sich näher mit einer Sache beschäftigt, begreift man ihren Wert und die Mühe, die man aufwendet, wandelt sich in Zuneigung. Junge Leute auf diesem Weg zu begleiten, ist die beste Form von Heimatpflege.
Dr. Karin Dengler-Schreiber
(Heimatpflegerin der Stadt Bamberg, stellvertretende Vorsitzende des Bayerischen Landesdenkmalrates)
Denkmalpatenschaft für den Bamberger Kreuzweg
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